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Netzfragen: Facebook hat Fake News „absolut unterschätzt“

Netzfragen: Facebook hat Fake News „absolut unterschätzt“

Eins haben der Brexit, die US-Präsidentschaftswahl und die Wahl in Frankreich gemeinsam: Vermutliche Wahlmanipulationen durch Fake News. Möglicherweise wird auch die Bundestagswahl von Fake News beeinflusst. Eine Reaktion der SPD war das Netzwerkdurchsetzungsgesetz. Doch wie steht die Partei zur Vorratsdatenspeicherung und was geschieht mit der Netzneutralität nach der Wahl? Lars Klingbeil gibt uns einen Einblick in die netzpolitische Sichtweise seiner Partei und erzählt, warum er jüngst gegen sie gestimmt hat.

Lars Klingbeil, Politikwissenschaftler, wurde 2009 das erste Mal als Abgeordneter in den Bundestag gewählt. In der folgenden Legislaturperiode übernimmt er das Amt des Chefs der Abgeordneten aus Niedersachsen und Bremen im Bundestag. Schon während seiner ersten Legislaturperiode setzt Lars Klingbeil seinen Schwerpunkt auf Digitalisierung und ist zudem im Verteidigungsausschuss tätig. Als netzpolitischer Sprecher der SPD ist Lars Klingbeil nicht nur an der digitalen Agenda beteiligt, sondern stellte 2017 auch das Wahlprogramm unter anderem im Bereich der Digitalisierung auf. Ein Interview von Moritz Krauß und Roman van Genabith.

 

Netzneutralität

TechnikSurfer: Wie viele Parteien hat die SPD in ihrem letzten Wahlprogramm die gesetzliche Festlegung der Netzneutralität versprochen. Nachdem diese von den europäischen Regulierungsbehörden im vergangenen Jahr abgesichert wurde, dürfte das Mehr-Klassen-Netz dieses Jahr kein Thema mehr für ein Wahlversprechen sein, oder doch?

Klingbeil: Der Erhalt eines freien und offenen Netzes bleibt auf der Agenda, weil Netzneutralität die Grundlage für Teilhabe und für Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit ist. Die SPD wird dies auch in ihrem Wahlprogramm für die Bundestagswahl 2017 deutlich festschreiben.

TechnikSurfer: Die Netzneutralität ist derzeit dennoch gefährdet – in mehrfacher Hinsicht. Wie bezieht die SPD Stellung dazu und sind Sie der Meinung, dass das „deutsche Internet“ überhaupt davon betroffen ist?

Klingbeil: Im Herbst 2016 hat das Gremium Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (BEREC) die finalen Leitlinien zur Netzneutralität veröffentlicht, die die Auslegung der europäischen Vorgaben konkretisieren sollen. Diese BEREC-Leitlinien zur Netzneutralität sind aus meiner Sicht ein guter Kompromiss, der innovations- und wettbewerbsschädlichen Praktiken starke Grenzen setzt und zugleich den Telekommunikationsunternehmen ausreichend Spielraum lässt, ihre Netze zu optimieren. Überholspuren nach Zahlungsbereitschaft wird es so nicht geben. Sollten sich Verletzungen des Prinzips der Netzneutralität ergeben, werden wir auf europäischer Ebene nachsteuern müssen.

TechnikSurfer: Insider stehen StreamOn von der Telekom äußerst kritisch gegenüber, da die neue Option in gewisser Weise gegen die Netzneutralität verstoßen würde. Wie stehen Sie dem halbwegs unlimitierten „Surfgenuss“ gegenüber?

Klingbeil: Also wir haben da als Fraktion ja auch unsere Bedenken geäußert. Es gab gestern eine Sitzung des politischen Beirates der Bundesnetzagentur. Dort ist auch noch einmal verabredet worden, dass die Netzagentur StreamOn überprüfen wird, ob es gegen die Kriterien der Netzneutralität verstößt.

TechnikSurfer: Und die SPD selber ist dann auch kritisch gegenüber dem StreamOn-Angebot?

Klingbeil: Wir können als Partei ja nicht beurteilen ob es das ist oder nicht. Wir haben darauf gedrängt, dass die Bundesnetzagentur dieses Angebot entsprechend der Kriterien der Netzneutralität überprüft.

TechnikSurfer: Das tut sie doch aber schon seit einer längeren Zeit? Zumindest war das so berichtet worden.

Klingbeil: Genau, aber noch einmal: Gestern war der politische Beirat, und da ist das von dem Beirat auch noch einmal gesagt worden. Wie das Verfahren genau innerhalb der Bundesnetzagentur läuft, das weiß ich nicht. Aber wie gesagt, der Beirat tagt glaube ich drei Mal im Jahr, da ist das noch einmal von politischer Seite bekräftigt worden.

TechnikSurfer: Die amerikanische Regierung ist, mal wieder, anderer Meinung was die Netzneutralität anbelangt und möchte zu einem „freien und offenen Internet“ zurückkehren, wie es Ajit Pai nannte. Was möchte die SPD dagegen unternehmen und welche Risiken drohen dem europäischen Netz?

Klingbeil: Naja, wir müssen als Europäer erst einmal unsere Position, die wir verabschiedet haben, verteidigen und das war natürlich mit dem Präsidenten Obama einfacher über solche Sachen zu reden als es mit der Trump-Administration der Fall ist. Ich kenne bisher nur politische Äußerungen, ich kenne keine Beschlüsse aus den USA, aber klar ist, dass Europa an der Stelle kämpfen muss und dass Europa sich deutlich positioniert hat und das auch im Diskus mit den USA deutlich herausstellen muss.

TechnikSurfer: Sehen Sie signifikante Vorteile einer priorisierten Datenübertragung für bestimmte Dienste?

Klingbeil: Nein, ich sehe signifikante Vorteile im festgeschriebenen Grundsatz der Gleichbehandlung aller Daten im offenen Netz.

 

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Breitbandausbau

TechnikSurfer: Die Digitale Strategie 2025 will bereits bis 2018 eine deutschlandweite Versorgung von 50 Mbit/s im Festnetz erreichen. Wie kann dieses ambitionierte Ziel erreicht werden?

Klingbeil: Im Koalitionsvertrag der Großen Koalition wurde als Breitbandziel eine Flächendeckung von mindestens 50 Mbit/s bis 2018 vereinbart. Dies ist ein ehrgeiziges Ziel, lag doch die Abdeckung Ende 2013 erst bei knapp 60 Prozent. Heute liegt sie bei über 70 Prozent, wobei die Wirkung der vergebenen Fördermittel erst mit dem tatsächlichen Ausbau – und damit zeitversetzt – einsetzt. Nachdem in den Jahren der schwarz-gelben Bundesregierung im Grunde keine nennenswerte Förderung erfolgte, hat die Große Koalition zusammen mit den Ländern (mit Verpflichtung bis 2020) über 4 Milliarden Euro für die Breitbandförderung zur Verfügung gestellt, um dieses Ziel zu erreichen. Seit Anfang Januar 2017 gibt es auch ein spezielles Förderprogramm von 350 Millionen Euro zur Erschließung von Gewerbegebieten. Die flächendeckende Grundversorgung mit mindestens 50 Mbit/s kann nur ein erster Zwischenschritt sein. Das Ziel muss eine Gigabitnetzinfrastruktur sein. Hierfür müssen jetzt die Voraussetzungen geschaffen werden.

TechnikSurfer: Mitte letzten Jahres haben Sie gefordert, zusätzliche Investitionen in den Breitbandausbau zu tätigen. Die Rede war von 10 Milliarden Euro. Wird es dabei bleiben oder wird der Ausbau die schwarze Null noch stärker belasten?

Klingbeil: Die aktuelle Breitbandstrategie muss um eine zukunftsfeste und umfassende Gigabitstrategie ergänzt und weiterentwickelt werden. Wir brauchen eine Gigabitinfrastruktur auf der Basis von Glasfaser und wir brauchen eine mobile Gigabitinfrastruktur auf der Basis von 5G. Hierfür werden wir den Breitbandausbau auf eine solide Finanzierung mit einer Förderung von weiteren 10 Milliarden Euro stellen.

TechnikSurfer: Glauben Sie überhaupt noch daran, dass die deutschlandweite „Mindestversorgung“ im kommenden Jahr erreicht werden kann?

Klingbeil: Bis nächstes Jahr? Im Koalitionsvertrag steht mindestens 50 Mbit/s flächendeckend und Herr Dobrindt hat gemeint, dass er das schafft. Ich habe jetzt leider erste Rückmeldungen von Landkreisen die zum Beispiel die Forderung zurückgeben weil ihnen das alles zu kompliziert ist. Aber ich habe noch Hoffnung, dass das Ziel erreicht wird.

TechnikSurfer: Sollte es Ausbauverpflichtungen geben und für welche Marktteilnehmer sollten sie in welchem Umfang gelten?

Klingbeil: Solche Ausbauverpflichtungen gab es bereits, etwa im Rahmen der sogenannten Digitalen Dividende bei Ersteigerung von Funk-Frequenzen. Ich halte dies für ein wichtiges Instrument, um gerade die immer noch bestehenden weißen Flecken etwa bei der Mobilfunkabdeckung zu schließen.

TechnikSurfer: Gegenüber der Rheinischen Post haben Sie den 50 Mbit/s Ausbau als Zwischenschritt bezeichnet. Wie geht die SPD mit neuen Techniken im Festnetz als auch im Mobilfunk um?

Klingbeil: Es ist ein wichtiger Zwischenschritt, jetzt muss es aber um den schnellen Aufbau der Gigabitinfrastruktur gehen. Hierzu setzen wir vor allem auf den Glasfaseraufbau und auf 5G.

TechnikSurfer: Wann und vor allem wie will Ihre Partei den Ausbau von 5G und schnellerem Festnetz-Internet vorantreiben?

Klingbeil: Es muss verstärkt in Gigabitnetze investiert werden. Dabei brauchen wir eine integrierte Technologiestrategie, die insbesondere FTTH/B (Fiber to the home/Fiber to the building)-Glasfaser und Hybride Glasfaser-Koaxial-Netze sowie einen flächendeckenden Ausbau von 5G im Mobilfunk umfasst. Der flächendeckende Ausbau von 5G setzt die Erschließung der Antennenstandorte mit Glasfaser voraus.

TechnikSurfer: Die SPD ist strikt gegen einen Verkauf der Telekom-Anteile vom Bund und bezeichnet das Vorhaben der Grünen und FDP als eine „Geisterfahrt“. Während Die Grünen die Erlöse dem Breitbandausbau zugutekommen lassen wollen, fürchtet die SPD die Zerschlagung des Telekom-Konzerns. Woraus ergeben sich die Risiken und Nebenwirkungen?

Klingbeil: Auch mit den Erlösen aus einem Verkauf könnte nur ein Bruchteil der notwendigen Gigabitinfrastruktur finanziert werden. Neben der Frage der Kapitalmarktsituation müssen bei diesen Überlegungen aber auch Faktoren wie die sicherheitsrelevante kritische Infrastruktur einbezogen werden. Von daher kann man gute Argumente anführen, die gegen eine Veräußerung der Bundesanteile sprechen.

TechnikSurfer: Weit über die Hälfte aller Festnetz-Kunden erreichen einer aktuellen Studie der Bundesnetzagentur zufolge das Maximum Ihrer Bandbreite nicht. Deshalb möchte die Behörde endlich gegen falsche Versprechen und langsames Internet vorgehen. Wie steht Ihre Partei dazu?

Klingbeil: Um den Bandbreitenschwindel zu beenden, haben wir erst vor wenigen Wochen das Telekommunikationsgesetz (TKG) geändert und der Bundesnetzagentur weitere Möglichkeiten eingeräumt. In Zukunft muss die Bundesnetzagentur nicht nur jährlich die Messergebnisse veröffentlichen, sondern auch darlegen, ob und inwieweit bei den Übertragungsraten wesentliche Abweichungen von den vertraglichen Zusagen festgestellt wurden, welche geeigneten Maßnahmen sie gegen den Bandbreitenschwindel ergriffen und welche Sanktionen sie verhängt hat. Vor allem aber muss die Bundesnetzagentur auf der Grundlage der entsprechenden EU-Verordnung bestimmen, was erhebliche, kontinuierliche oder regelmäßig wiederkehrende Abweichungen sind, die unmittelbar als nicht vertragsgemäße Leistung gelten. Nach entsprechenden Messungen mit dem Messtool der Bundesnetzagentur kann sich der Kunde in Zukunft auf eindeutiger Grundlage an die Schlichtungsstelle bei der Bundesnetzagentur wenden oder gerichtlich seine vertraglichen Ansprüche geltend machen. Mit dieser Ergänzung des TKG wird die Stellung des Verbrauchers gegenüber den Anbietern wesentlich gestärkt.

 

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Fake News – Debatte

TechnikSurfer: Fake News sind wahrscheinlich zum Thema des Jahres geworden. Immerhin haben die Falschmeldungen womöglich sogar eine Präsidentschaftswahl beeinflusst. Steht auch die Bundestagswahl im September vor dieser Gefahr?

Klingbeil: Wir haben bei der Brexit-Entscheidungen und bei den Präsidentschaftswahlen in den USA und in Frankreich gesehen, wie gezielte Falschmeldungen, oft getarnt als vermeintlich seröser Journalismus, verbreitet werden. Es ist nicht auszuschließen, dass es auch in Deutschland Versuche geben wird, mit entsprechend gezielten Falschmeldungen Einfluss auf die Meinungsbildung zu nehmen.

TechnikSurfer: Mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz der SPD sollen soziale Netzwerke für Fake News und Hate Speech mit Strafgeldern in die Mangel genommen werden, wenn diese entsprechenden Posts nicht binnen vorgegebener Zeiträume entfernen. Warum ist das nach Meinung Ihrer Partei der einzige Weg, um Fake News und Hate Speech zu bekämpfen?

Klingbeil: Es ist nicht der einzige Weg, aber es ist ein wichtiger Baustein. Es geht nicht um ein Fake-News-Verbot oder um Zensur und auch nicht um Netzsperren. Es geht um die Durchsetzung des geltenden Rechts und um die Verfolgung von Rechtsverletzungen, auch in den sozialen Netzwerken. Die Meinungsfreiheit endet da, wo das Strafrecht beginnt. Die Tatsache, dass Menschen im Internet Hass verbreiten, kann man nicht allein durch das Recht lösen. Notwendig ist darüber hinaus ein stärkeres zivilgesellschaftliches Engagement, um beispielsweise Betreiber auf entsprechende Inhalte hinzuweisen und Rechtsverletzungen anzuzeigen, da Löschung von strafbaren Inhalten allein keine Lösung ist.

TechnikSurfer: Experten gehen davon aus, dass Ihr neues Gesetz die Meinungsfreiheit enorm gefährdet. Beispielsweise würden soziale Netzwerke fragwürdige Posts möglicherweise zu schnell löschen. Ist dies getreu dem Motto „einen Tod muss man sterben“ das kleinere Übel, das wir in Kauf nehmen müssen?

Klingbeil: Die Meinungsfreiheit wird durch das Netz nicht in Frage gestellt und selbstverständlich müssen wir unseren demokratischen Diskurs schützen. Strafrechtlich relevante Inhalte müssen im Netz verfolgt werden. Kritisiert wird, dass es mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz zu einer Privatisierung der Rechtsdurchsetzung und zu einer Einschränkung der Meinungsfreiheit kommen könnte. Dies insbesondere deswegen, weil die Betreiber der sozialen Netzwerke entscheiden sollen, ob Inhalte rechtswidrig sind und weil der Entwurf ausschließlich das Nicht-Löschen sanktioniert, nicht aber das Löschen von rechtmäßigen Inhalten. Diese Argumentation übersieht, dass das Gesetz keine neuen Straftatbestände schafft, sondern lediglich die bereits bestehenden Pflichten konkretisiert. So haften Betreiber von sozialen Netzwerken bereits heute, wenn sie nicht tätig werden, wenn sie von Rechtsverletzungen ihrer Nutzer Kenntnis bekommen. Das Gesetz stellt lediglich klar, dass Betreiber sozialer Netzwerke ein effektives Beschwerdemanagement vorhalten müssen, um ihren gesetzlichen Verpflichtungen nachkommen zu können. Wir prüfen im parlamentarischen Verfahren, ob es Klarstellungen zum Schutz vor Overblocking und einen stärkeren Rechtsschutz vor unberechtigter Löschung geben muss.

TechnikSurfer: Sie scheinen sehr überzeugt von dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz zu sein. Ihre Partei wird demnach sicherlich nicht mit so viel Wirbel und Protest gerechnet haben.

Klingbeil: Ja, also man muss sagen, es gab ja ein Fraktionspapier, über das Heiko Maas dann hinausgegangen ist. Ich glaube, wenn man sich strikt an dieses Papier gehalten hätte, wäre der Protest noch milder gewesen. Sagen wir´s so: Auf Veranstaltungen gibt es immer eine Einigkeit darüber, dass Facebook mehr Verantwortung übernehmen muss. In dem Gesetz sind aber Sachen drin, die den parlamentarischen Verfahren aushandeln wollen, also es gab mal so eine Sieben-Tagesfrist für Dinge, die unklar sind. Die wird sehr kritisch gesehen, auch von uns. Wir haben auch nochmal darauf gedrungen, dass wir die regulierte Selbstregulierung stärken, die aus anderen Bereichen ja sehr kampferprobt ist und wo man auch sieht, es gibt gute Erfahrungen damit und auch was mir immer sehr wichtig war: Die Frage Auskunftsanspruch. Also dass der Post wirklich auch reduziert wird auf Persönlichkeitsverletzung und dass es einen Richtervorbehalt gibt. Das sind so Punkte, die jetzt im parlamentarischen Verfahren diskutiert wurden, wo ich auch sehr optimistisch bin. Und dann ist das ein Gesetz dem man auch noch zustimmen kann. Ich glaube, dass der Protest dann abgemildert wird.

TechnikSurfer: Bislang haben wir nur über die Vorteile des neuen Gesetzes geredet. Aber worin liegt das Kleingedruckte?

Klingbeil: Das ist schwierig zu bewerten. Also wir verändern natürlich schon ein Stück weit die Art und Weise wie Facebook bisher agiert hat. Die haben sich ja die letzten zwei Jahre einfach in den runden Tischen immer zurückgelehnt und haben gesagt, das geht sie nichts an. Sie müssen dann Verantwortung tragen und die Angst die viele haben ist natürlich das Overblocking, aber da wird auch durch eine Klarstellung nochmal am Gesetz gearbeiter, dass man ein Bußgeld nicht bekommt aufgrund eines einzelnen Posts mit dem man falsch umgegangen ist, was vermutlich richtig gewesen wäre. Sondern weil man einfach kein effektives Beschwerdemanagement hat. Und dann kann man erst mit einem Bußgeld versehen werden. Und das nimmt dann auch ein bisschen die Gefahr des Overblockings. Ansonsten können Sie mich momentan nicht nach Nachteilen fragen, wo ich gerade im parlamentarischen Verfahren dafür kämpfe, dass da noch viele Vorteile hineinkommen. Und die Gespräche, die ich führe, sind auch eher so, dass Leute sagen, mit den Änderungen ist es jetzt dann auch gut.

TechnikSurfer: Können Sie die Kritiker, welche eine Zensur des Internets befürchten nachvollziehen?

Klingbeil: Ich verstehe die Sorge, ich glaube aber, dass es mit dem Gesetz, wie es am Ende verabschiedet wird, nicht mehr gegeben ist. Und ich will auch sagen, ich habe mich schon gewundert wer alles in einer Diskussion milliardenschwere Unternehmen unterstützt. Weil ich schon sehe, wir haben Entwicklungen im Netz gehabt, die man auch wirklich ernst nehmen muss und wo man sich als Staat auch drum kümmern muss.

TechnikSurfer: Welche Maßnahmen sollten soziale Netzwerke abseits vom Gesetz und den bisherigen Methoden in Ihren Augen noch gegen Fake News einleiten?

Klingbeil: Darum, wobei es bei dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz geht, sind ja offensichtliche Rechtsverletzungen und ich glaube der Kampf gegen Fake News ist ein ganz anderer. Erstmal irritiert mich in unserer gesellschaftlichen Debatte, dass man so etwas bekämpfen oder verhindern könnte aber er gehört dazu – andere Meinung die man noch aushalten muss. Das Problem ist natürlich, dass wenn Fake News massenhaft mit politischem oder kommerziellem Interesse produziert werden. Da kann Facebook natürlich viel tun, zum Beispiel dass diese Seiten keine Werbung mehr schalten können. Facebook kann auch prüfen, wo Bots sind die das verbreiten. Ich glaube allerdings der grundsätzliche Ansatz muss sein, dass man auch Initiativen verstärkt die beispielsweise in Debatten einmischen. Es gibt hier positive Beispiele wie „#ichbinhier“ und dann haben wir natürlich noch viel im Bereich digitale Bildung. Erkennen, wo Fake News verbreitet werden, nicht immer glauben was im Netz verbreitet wird. Das wäre natürlich ein viel grundlegender und langfristiger Ansatz, aber in meinen Augen der erfolgreichere.

TechnikSurfer: Facebook hat im April mit Tipps geworben, wie Fake News leichter erkannt werden sollen. Außerdem will das soziale Netzwerk aggressiver gegen Falschmeldungen vorgehen. Auch Google startete in Deutschland mit seinem eigenen Faktencheck. Sind diese Maßnahmen geeignet zur Entlarvung und Sensibilisierung der Öffentlichkeit für dieses Thema?

Klingbeil: Diese Ankündigungen kommen zwar spät und insbesondere Facebook hat anfangs dieses Phänomen absolut unterschätzt. Ich begrüße aber, dass die Anbieter sozialer Netzwerke endlich Ihrer Verantwortung nachkommen. Die Anbieter von sozialen Netzwerken müssen sicherstellen, dass Geschäftsmodelle, die auf der Verbreitung von Fake News und den damit verbundenen Werbeerlösen basieren, nicht mehr möglich sind. Erste Maßnahmen hierzu haben die Anbieter mit Änderungen ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen bereits ergriffen.

TechnikSurfer: Ist der Thematik Bots im Social Media-Bereich durch gesetzliche Maßnahmen zu begegnen und wie könnten diese aussehen?

Klingbeil: Geprüft werden sollte aus meiner Sicht eine Kennzeichnungspflicht von social Bots. Social Bots können auch dazu genutzt werden, demokratische Diskurse zu vergiften und die öffentliche Willensbildung zu manipulieren. Eine solche Kennzeichnungspflicht automatisch generierter Nachrichten könnte einen Beitrag dazu leisten, diese als solche zu erkennen und entsprechend einordnen zu können.

TechnikSurfer: Das Internet ist mehr noch als andere Medien ein Spiegel der Meinungs- und Redefreiheit in einer Gesellschaft. Können gesetzliche Maßnahmen zur Regulierung von Bots unter diesem Gesichtspunkt als legitime Schritte gesehen werden?

Klingbeil: Transparenzvorgaben, ob man mit einer Maschine oder einem Menschen kommuniziert, sehe ich nicht als Eingriff in die Meinungs- und Redefreiheit an.

 

Datenschutz und Privatsphäre

TechnikSurfer: Die SPD schreibt auf Ihrer Website, die Weitergabe von Daten „an die vorherige Einwilligung der Betroffenen zu knüpfen“. Trotzdem hat die SPD die Vorratsdatenspeicherung nicht verhindert, weshalb?

Klingbeil: Es gab einen Beschluss des SPD-Konvents zum Gesetzentwurf zur Einführung einer Speicherpflicht und Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten und die Mehrheit hat sich für diesen Gesetzentwurf ausgesprochen. An die Entscheidung sind wir gebunden. An meiner Position zur Vorratsdatenspeicherung hat sich nichts geändert. Ich halte die Vorratsdatenspeicherung weiterhin für falsch und setze mich auch in Zukunft dafür ein und werbe dafür, dass wir auf deutscher und auf europäischer Ebene auf dieses Instrument verzichten.

TechnikSurfer: Die Vorratsdatenspeicherung wurde Ende Juni als europarechtswidrig eingestuft. Für Sie persönlich dürfte dies ein Erfolg darstellen, doch wie steht die SPD dem Gerichtsurteil gegenüber?

Klingbeil: Ich sehe das als absoluten Erfolg. Ich gehöre ja zu denen, die einen Protest gegen die Vorratsdatenspeicherung innerhalb der SPD-Fraktion angeführt haben. Und ich sehe das auch als sozusagen späte Bestätigung meiner Position. Wir müssen jetzt natürlich noch schauen was für Auswirkungen das hat, aber in meinen Augen ist damit das Ende der Vorratsdatenspeicherung mal wieder eingeleitet.

TechnikSurfer: Wie sehen Sie die Position Ihrer Partei, wenn die Vorratsdatenspeicherung weiterhin festgehalten werden sollte, auf politischer Ebene?

Klingbeil: Ich würde meiner Partei dringend raten von der Positionierung, dass man für die Vorratsdatenspeicherung ist, abzuweichen. Ich muss allerdings zur Kenntnis nehmen, dass es beim letzten Mal als wir darüber abgestimmt haben eine 60 prozentige Mehrheit gab. Also das Abstimmungsverhalten auf dem Parteikonvent war 60 Prozent dafür 40 Prozent dagegen. Trotzdem muss die Partei es auch zur Kenntnis nehmen, dass es schon wieder erste Gerichtsurteile gibt, die das ganze grundlegend in Frage stellen. Ich bin mir sicher, weitere Entscheidungen werden folgen und deshalb macht es Sinn die Positionierung für die Vorratsdatenspeicherung aufzugeben. Zumal ich sozusagen neben dem juristischen den konkreten Nutzen auch nach wie vor in Frage stelle.

TechnikSurfer: Wollen Sie Verschlüsselungsverfahren, die nach derzeitigem Sachstand nicht oder nur mit extremem technischen Aufwand überwunden werden können, in ihrer Anwendung beschränken?

Klingbeil: Nein, im Gegenteil. Wir wollen den Einsatz von vertrauenswürdigen Verschlüsselungsverfahren fördern.

TechnikSurfer: Beschreiben Sie Ihre Position zur Forderung nach staatlichen Hintertüren in den Verschlüsselungen von Messengern und anderen Kommunikationsdiensten. Hilft eine staatlich verordnete Schwächung von Verschlüsselungsverfahren dabei den (inter)nationalen Terrorismus zu bekämpfen? Beschreiben Sie Ihre Einschätzung.

Klingbeil: Die SPD lehnt die Forderung nach staatlichen Hintertüren grundsätzlich ab. Eine solche Schwächung von Verschlüsselungsverfahren würde auch keinen Beitrag zur Bekämpfung von Straftaten bedeuten, sondern die Sicherheit unsrer IT-Systeme insgesamt gefährden.

TechnikSurfer: Obwohl Sie für Verschlüsselung sind, hat Ihre Partei kurz vor der Sommerpause die Quellen-Telekommunikationsüberwachung und Online-Durchsuchungen eingeführt, staatliches Hacken. Widerspricht das nicht Ihrem eigenen Prinzip, immer zuerst die Betroffenen einwilligen zu lassen?

Klingbeil: Also es gibt ja heute schon das BKA-Gesetz. Wenn ich zum Beispiel einen konkreten Terrorverdacht habe, konnten auch schon vor der Quellen-TKÜ Instrumente davon angewandt werden. Also ich habe das heute schon für den Moment, wenn ein konkreter Verdacht vorliegt, gerade im Bereich Terrorabwehr. Das Problem ist nur, dass die Behörden das nicht anwenden, weil sie keine technischen Lösungen dafür haben. Ich bin auch gar nicht dagegen, dass die Sicherheitsbehörden das anwenden können, wenn ein konkreter Verdacht vorliegt, nur dass das mit der Quellen-TKÜ und der der Online-Durchsuchung im Parlament beschlossen wurde geht weit über das hinaus, weswegen ich ja auch zu den zwei Abgeordneten aus der SPD-Fraktion gehört habe, die dagegen gestimmt haben im Plenum. Ja, weil ich glaube, dass das verfassungsrechtlich bedenklich ist, dass das technisch bedenklich ist und mir bisher sozusagen niemand die Sorge nehmen konnte, dass es manipulierbar ist an vielen Stellen. Aber dass man natürlich, wenn ein konkreter Verdacht vorliegt, auch Möglichkeiten braucht um Kommunikationen abzufangen. Da habe ich kein Problem mit. Ich will nur, dass das verfassungsrechtlich auf einem sauberen Boden steht.

TechnikSurfer: Anstatt Messenger zu Backdoors zu zwingen, wollen Sie künftig also in jedes System eindringen und sämtliche Inhalte mitlesen. Ähnlich geht es auch bei der NSA zu: Die NSA verwendet Sicherheitslücken, um in das Betriebssystem einzudringen. Die Folge war weltweit mit WannaCry zu spüren. Ist es nicht sinnvoller, entdeckte Zero-Exploits den Softwareherstellern zu melden anstatt diese für die Überwachung zu verwenden?

Klingbeil: Genau, also diese Position habe ich schon häufig geäußert. Ich halte es für grundfalsch, wenn der Staat Sicherheitslücken einkauft und wenn er sozusagen auf diesem Markt mitmacht. Ziel muss es sein, dass Sicherheitslücken geschlossen werden, so sollte der Staat handeln. Ich kann immer nachvollziehen, dass Geheimdienste das gerne wollen, aber ich halte das für eine falsche Position, WannaCry ist ein gutes Beispiel dafür. Da muss man sich später nicht beschweren, wenn ich als Staat solche Prozesse gewähre.

TechnikSurfer: Und wie wollen Sie dann in die vermeintlich sicheren Systemen von Microsoft, Google, Apple und Co. eindringen? Schließlich nutzt auch die NSA Zero-Exploits aus.

Klingbeil: Das kann ich technisch nicht sagen. Da weiß ich nicht, welche Möglichkeiten es da gibt. Aber wir haben in dieser Legislatur so viele Sicherheits-Gesetze beschlossen, dass ich davon ausgehe, in dem Moment, wenn es einen konkreten Verdacht gibt, habe ich schon Möglichkeiten Menschen zu kontrollieren und Kommunikation abzufangen.

TechnikSurfer: Ist die SPD der Meinung, dass mit der Quellen-TKÜ die Gefahr von Terroranschlägen weiter gebannt werden kann? Wäre das Gesetz ohne die aktuelle Gefährdungslage jemals zum Vorschein gekommen?

Klingbeil: Quellen-TKÜ bei Terror ist ja schon mit dem BKA-Gesetz beschlossen worden. Das was neu beschlossen wurde, hatte mit Terror ja nichts zu tun, sondern wir haben eine massive Ausweitung auf andere Straftatbestände wie Einbruch und sonst was gehabt. Deswegen habe ich auch dagegen gestimmt. Die SPD ist der Meinung, dass es hilft, der netzpolitische Sprecher allerdings nicht. Man muss einfach zur Kenntnis nehmen, dass wir gerade in Zeiten von Terror und Bedrohung keine politische Situation haben, die es Gegnern von Überwachung einfach macht. Das muss man leider so feststellen. Das ist auch nichts, was gerade zu meiner Freude beiträgt. Wenn man da alleine sitzt in so einer Fraktion und dagegen stimmt, beziehungsweise wir waren dann zu zweit, dann ist das kein schönes Gefühl.

TechnikSurfer: Ist das EU-US Abkommen Privacy-Shield aufgrund Trumps Amtszeit bedroht?

Klingbeil: Es gibt zumindest Aussagen, die dahingehend verstanden werden können, dass das EU-US-Privacy-Shield in Frage gestellt wird. Die EU-Kommission ist derzeit mit der amerikanischen Regierung im Gespräch, um sicherzustellen, dass sich in Bezug auf den Schutz der europäischen Bürger nichts ändern würde. Wir werden sorgsam beobachten, ob die vereinbarten Vorgaben eingehalten werden.

TechnikSurfer: Sollte es doch zu einem unvorhergesehenen Platzen des Abkommens kommen: Hat die SPD einen Plan B in der Tasche und wie könnte dieser grob aussehen?

Klingbeil: Es gibt klare Vorgaben des Europäischen Gerichtshofes und der Datenschutz-Grundverordnung, die den Schutz der personenbezogenen Daten bei der Verarbeitung in nicht-europäischen Ländern sicherstellen sollen.

 

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Autonome Fahrzeuge und Geoblocking

TechnikSurfer: In absehbarer Zukunft fahren Autos in weiten Teilen autonom. Wer soll bei einem Unfall haften? Fahrzeughalter oder Autobauer?

Klingbeil: Mit dem kürzlich beschlossenem Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes haben wir den Rechtsrahmen für Automatisiertes Verfahren geschaffen. Die technischen Entwicklungen im Automobilbau werden es möglich machen, dass das technische System in bestimmten Situationen die Fahrzeugsteuerung übernehmen kann. Diese automatisierten Systeme erkennen aber ihre Grenzen und fordern den Fahrzeugführer bei Bedarf zur (Wieder-)Übernahme der Fahrsteuerung auf. Hierzu macht das Gesetz konkrete Vorgaben für das Zusammenwirken zwischen Fahrzeugführer und dem Kraftfahrzeug mit automatisierten Fahrfunktionen. So darf sich die fahrende Person nun explizit vom Verkehrsgeschehen abwenden und dem System die Steuerung übergeben, sofern sie wahrnehmungsbereit bleibt – dabei muss das Fahrzeug dem Fahrer die Rückübernahme der Steuerung mit ausreichender Zeitreserve anzeigen. So ist klar: Wenn das System fehlerhaft ist, haftet der Hersteller. Deutschland ist damit das erste Land, das für das hochautomatisierte Fahren einen rechtlichen Rahmen setzt.

TechnikSurfer: Eine Blackbox, die Fahrtprofile und Verhalten von Autofahrern aufzeichnet, soll die Sicherheit der Fahrer, auch im Versicherungsfall, erhöhen. Wägen Sie Vor- und Nachteile einer solchen Einrichtung ab.

Klingbeil: Es werden keine Profile erstellt, sondern es werden nur die notwendigsten Daten aufgezeichnet, um im Zweifel den Nachweis zu erbringen, ob das Fahrzeug automatisiert gefahren ist oder aber der Fahrer. Dazu zählen Standort per GPS, Uhrzeit, wer ist gefahren (Mensch/Maschine) und Daten, ob es eine Aufforderung zur Übernahme durch das automatisierte System an den Fahrer gab. Diese Daten sind notwendig, um zu klären, ob das Fahrzeug im automatisierten Betrieb gefahren ist oder nicht.

TechnikSurfer: Skizzieren Sie, unter welchen Rahmenbedingungen eine Blackbox im Auto zur Verkehrssicherheit beitragen kann, ohne die Privatsphäre von Autofahrern zu kompromittieren.

Klingbeil: Um im Falle eines Unfalls Schuldfragen zu klären, werden Orts- und Zeitangaben sowie die Information, ob es eine Übernahmeaufforderung gab und ob das System oder der Mensch gefahren ist, für sechs Monate gespeichert. Weitere Details zur Speicherung der Daten (Speichermedium und -ort, Adressat etc.) erfolgt über eine Rechtsverordnung, die das Bundesverkehrsministerium in enger Abstimmung mit der Beauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit zu erlassen hat.

TechnikSurfer: Folgendes Szenario: Der Autobauer erhält tagtäglich tausende Fahrzeugdaten automatisch auf seinen Server und weiss genau, welches Auto bei welcher Versicherung versichert ist. Diese Gelegenheit nutzt der Autobauer und verkauft komplett alle ausgewerteten Daten über das Fahrverhalten an die entsprechenden Versicherungen weiter. Ein Szenario, welches möglicherweise noch gar nicht bedacht worden ist?

Klingbeil: Datenschutz und Datensicherheit sind auch für das automatisierte Fahren und für das vernetzte Fahrzeug von grundlegender Bedeutung und zugleich zentrale Akzeptanzvoraussetzung. Das hier beschriebene Szenario wäre aus meiner Sicht rechtlich unzulässig, weil es weder eine Rechtsgrundlage noch eine Einwilligung für diese Verarbeitung von personenbezogenen Daten gibt.

TechnikSurfer: Mit der Einführung des digitalen Binnenmarktes soll Geoblocking endlich abgeschafft werden. Die SPD begrüßt das Vorhaben, weshalb?

Klingbeil: In Brüssel haben sich EU-Kommission, Parlament und Mitgliedstaaten darauf verständigt, dass Kunden ihre Online-Abos für Fernsehen, Sport, Musik, Bücher und Videospiele von 2018 an in der ganzen Europäischen Union nutzen können. Die SPD unterstützt dieses wichtige Vorhaben und die Abschaffung der digitalen Schlagbäume, denn in einem europäischen Binnenmarkt müssen alle EU-Bürger ihre bezahlten Online-Inhalte uneingeschränkt abrufen können.

TechnikSurfer: Ist die SPD zuversichtlich, dass die Abschaffung von Geoblocking durchgeboxt werden kann, obwohl sich Rechteinhaber immer wieder erfolgreich dagegenstellen?

Klingbeil: Wir sind zuversichtlich, dass Rat und Parlament diesem Vorschlag zustimmen werden, da er auch Vorgaben zum Schutz vor Missbrauch enthält.

 

Internet der Dinge und Cybersecurity

TechnikSurfer: Im Interview mit dem TechnikSurfer sagte uns Sicherheitsexperte Rüdiger Trost, dass ein Cyberkrieg „tatsächlich eine große Gefahr“ darstellt. Die SPD möchte das „digitale Immunsystem“ stärken und dadurch die Cybersecurity gewährleisten. Wie soll dieses Immunsystem genau aussehen?

Klingbeil: Gemeint ist damit, dass der Staat, die Unternehmen und auch die Bürgerinnen und Bürger gemeinsam für ein starkes digitales Immunsystem eintreten müssen. Der Staat muss den rechtlichen Rahmen zur Verhinderung und Verfolgung von Cyberkriminalität setzen. Darüber hinaus muss er die Behörden und Institutionen adäquat ausstatten, um sie vor Cyberangriffen zu schützen und um eine Strafverfolgung sowie die Beratung zur Kriminalitätsprävention zu ermöglichen. Hierzu zählen auch die Förderung von IT-Sicherheitsforschung und die Förderung von Forschung und Entwicklung von IT-Sicherheitskomponenten. Die Unternehmen müssen Angebote in Form von „Hilfe zu Selbsthilfe und zum Selbstschutz“ durch den Staat erhalten. Konkrete, kompetente Ansprechpartner, die bei Sicherheitsfragen beraten und informieren, sind von großer Bedeutung. Sie müssen Unternehmen, und hierbei insbesondere die Kleineren und mittleren Unternehmen, dabei unterstützen, entsprechende Schutzmaßnahmen zu ergreifen, die das Datensicherheitsniveau signifikant erhöhen. Sicherheit und Datenschutz sind möglichst von Beginn der Produktentwicklung und der Konzeption von Prozessen an mitzudenken. Auch Bürgerinnen und Bürger müssen beim Selbstschutz unterstützt werden, etwa mit der Förderung von vertrauenswürdigen und einfach hanbhabbarenhandhabbaren Verschlüsselungsverfahren. Mit dem IT-Sicherheitsgesetz wurden wichtige Vorgaben für mehr IT-Sicherheit geschaffen. Wir müssen das IT-Sicherheitsgesetz angesichts der Innovationsgeschwindigkeit weiterentwickeln. Hierzu zählt insbesondere die Schaffung einer fairen Produkthaftungskette für digitale Güter und die Einführung eines IT-Gütesiegels.

TechnikSurfer: Legen Sie dar, welchen Bedrohungen unsere Industrie-IT durch Akte der Cyber-Kriminalität nach Ihrem Dafürhalten heute ausgesetzt ist.

Klingbeil: Wenn man sich den aktuellen Lagebericht des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) anschaut, so ist die Gefährdungslage der IT-Sicherheit in vielen Bereichen als hoch zu bewerten. Cyberkriminalität, Industriespionage und -sabotage sind zu einem erheblichen Problem geworden. Nach Angaben des Bundesverbandes Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom) sind über die Hälfte aller Unternehmen in Deutschland bereits Opfer von Cyberkriminalität geworden. Mittelständische Unternehmen sind mit über 60 Prozent besonders stark von Spionage- oder Sabotageakten betroffen. Ohne Datensicherheit können wir aber insbesondere unsere kleinen und mittelständischen Unternehmen nur schwer davon überzeugen, dass die Digitalisierung ihrer Geschäfte erforderlich ist, um wettbewerbsfähig zu bleiben. IT-Sicherheit wird daher zu einer wesentlichen Voraussetzung für Innovationen, Wachstum und Beschäftigung.

TechnikSurfer: Beschreiben Sie Ihre Position zu der verschiedentlich vorgebrachten Forderung, dass Unternehmen alle Vorfälle in Verbindung mit ihrer IT-Infrastruktur, die über lokale Schwierigkeiten an einzelnen Arbeitsplätzen hinausgehen, beim BSI oder einer anderen Stelle melden müssen.

Klingbeil: Mit dem IT-Sicherheitsgesetz werden Betreiber kritischer Infrastrukturen, also etwa Energie- und Wasserversorgung, Betreiber von Telekommunikationsnetzen oder im Notfall- und Rettungswesen, verpflichtet, ein hohes Niveau an IT-Sicherheit einzuhalten und erhebliche IT-Sicherheitsvorfälle zu melden. Dies ist absolut notwendig. Wir als SPD-Bundestagsfraktion haben uns auch dafür angesprochen, dass Anbieter von Cloud-Diensten verpflichtet werden sollten, ihre Kunden über erkannte besonders schwere Angriffe zu informieren, damit diese ihren Schutz und ihre Selbstschutzinstrumente entsprechend anpassen können. Überprüft werden sollte auch, ob die Soft- und Hardwarehersteller in die Meldepflicht gegenüber dem BSI aufgenommen werden sollten, wenn Mängel oder Sicherheitslücken beim Anwender zu Schäden an Leib, Leben, Gesundheit und Eigentum führen können.

TechnikSurfer: Abschließend die Frage: Mit welcher Geschwindigkeit surfen Sie privat im Netz?

Klingbeil: Keine Ahnung, der Internetzugang ist jedenfalls schnell genug um Netflix zu schauen. Ich glaube, ich habe 50 Mbit/s vertraglich zugesichert, ob das immer 50 Mbit/s sind wage ich zu bezweifeln.

TechnikSurfer: Herzlichen Dank für das Interview.

 

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• Interview mit den Grünen: Deutsches Internet ist „völlig inakzeptabel“
• Interview mit den Linken: Vorratsdatenspeicherung ist „einfach von Grund auf abzulehnen“
• Interview mit der FDP: Wir brauchen gigabitfähiges Internet überall

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Netzfragen: „Wir können nicht bei 50 Megabit stehen bleiben“

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